Heimatlos

Nach Kriegsende sind Millionen entwurzelte Menschen quer durch Europa unterwegs: befreite KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene, Zwangsarbeitende und Holocaust-Überlebende, Flüchtlinge und Vertriebene oder demobilisierte Soldaten. Bereits ab Winter 1944/45 fliehen hunderttausende Deutsche vor der Roten Armee in Richtung Westen. Mit der Verschiebung der Grenzen Polens und der Zwangsaussiedlung der Deutschen kommen bis 1946 fast 12 Millionen Menschen in das zerstörte Deutschland. Zehntausende Belarussen, Ukrainer und Litauer auf polnischem Gebiet werden in die Sowjetunion abtransportiert oder innerhalb Polens umgesiedelt. Aus dem nunmehr sowjetischen Osten Polens werden weit über 1,5 Millionen polnische Staatsbürger vorwiegend in die früheren deutschen Ostgebiete verbracht. Unter ihnen sind über 100.000 Holocaust-Überlebende. In den drei westlichen Besatzungszonen auf deutschem Boden befinden sich mehr als zehn Millionen »Displaced Persons« in Lagern. Die meisten Jüdinnen und Juden unter ihnen verlassen Europa bis 1950, weil Antisemitismus fester Bestandteil auch der Nachkriegsgesellschaften ist. Mehrere Millionen »Bürger der Sowjetunion«, die als Soldaten in deutsche Gefangenschaft geraten oder zur Zwangsarbeit verschleppt worden sind, kehren – teilweise unter Zwang – heim. Dort werden sie vielfach unter dem Verdacht, mit den Deutschen kollaboriert zu haben, in Arbeitslager verschickt.

Berlin-Lichterfelde, 1945: Zug mit Flüchtlingen

bpk, 70716413

Ostpreußen, Winter 1944/45: Ein Treck deutscher Flüchtlinge in Richtung Westen. Auf Pferdewagen oder als Handgepäck können nur die nötigsten Habseligkeiten transportiert werden. Auf der monatelangen Flucht sterben Zehntausende Menschen an Hunger, Kälte und Krankheiten oder werden Opfer von Übergriffen.

Bundesarchiv, Bild 183-R77440

Berlin-Friedrichshain, Frühjahr 1945: Deutsche Kriegsgefangene marschieren auf der Frankfurter Allee (Reichsstraße 1) nach Osten in sowjetische Gefangenschaft. Über drei Millionen Soldaten der Wehrmacht gelangen in Lager auf dem Gebiet der Sowjetunion. Die Mehrzahl kehrt nie zurück.

Museum Berlin-Karlshorst, Fotokorrespondent: Timofej Melnik (1911 – 1985)

Westlich von Berlin, Mai 1945: Französische Kriegsgefangene und politische Häftlinge verschiedener Nationen nach ihrer Befreiung durch die Rote Armee

getty images, Fotograf: Fred Ramage (1900 – 1981), Hulton Archive, 2665956

Beuthen (Schlesien), Frühjahr 1945: Befreite sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Rotarmisten. Viele Gefangene waren in der deutschen Industrie oder Landwirtschaft eingesetzt.

Museum Berlin-Karlshorst, Fotokorrespondent: Iwan Schagin (1904 – 1982)

Raum Münster (Westfalen), um 1946: Lager für »Displaced Persons« (DP). Oft verbringen diese sogenannten heimatlosen Ausländer hier mehrere Jahre und sind bestrebt, ein »normales« Leben zu führen. Viele gründen Familien. Die Anzahl der Neugeborenen in DP-Lagern ist zwischen 1946 und 1948 die höchste weltweit.

National Archives and Records Administration, Washington, D. C., 206275